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Ein Blick zurück

Versuchen wir zunächst einmal, uns in jenes Jahr 1861 zurückzuversetzen. Aus der großen Welt da draußen drang die Kunde vom Ausbruch des nordamerikanischen Bürgerkrieges ins kleine Garding. Auch hörte man aus London, daß dort erstmals eine Pferdebahn in Betrieb genommen sei.
Und in Berlin fand das zweite deutsche Turnfest statt, nachdem im Jahr vorher Coburg damit den Anfang gemacht hatte. Was nun aber die engere Heimat, Schleswig-Holstein, anbelangt, so waren die politischen Verhältnisse alles andere als zufriedenstellend. Man gehörte noch durch Erbgang zum dänischen Königreich, das damals von Friedrich Vll. regiert wurde, wünschte sich aber daraus zu befreien.

Es war die Zeit, in der Dichter wie Theodor Storm, Friedrich Hebbel und Klaus Groth sich zu Sprechern dieses Strebens und der Anerkennung auch des Landesteiles Schleswig als deutsches Land machten.
Garding selbst hatte etwa 1.530 Einwohner. Es war Hafenstadt, denn die Süderbootfahrt verband Katingsiel mit der Eider. Am Hafen stand noch eine Ölmühle, während der große Speicher erst fünf Jahre später gebaut werden sollte. Noch befand sich auch ein Teil des Friedhofes an der Kirche, wurde dort erst allmählich mit dessen Abtragung begonnen: Ein größerer Marktplatz als der damals vor dem Rathaus in der Osterstraße befindliche, sollte entstehen. Am Hafen stand eine Zollwaage, mit deren Hilfe die auf dem Wasserwege eingeführten Güter taxiert wurden.

Denn über die höchst unvollkommenen Landstraßen kam mit Fuhrwerken nur, was in Garding selbst benötigt bzw. von dort ausgeführt werden sollte. Die Eisenbahn reichte nach Eiderstedt hinein nur bis Tönning, und von Autos träumten die Leute noch nicht einmal. Nun aber bildete sich im Städtchen ein Gewerbeverein, wurde etwas verwirklicht, zu dem die Anregung einigen Gardinger Bürgern womöglich aus Husum gekommen sein könnte, wo Handwerker einen solchen Verein schon vier Jahre früher ins Leben gerufen hatten.

Wie es begann
Der Gründungsgedanke mag aber sogar schon vorher gewissermaßen in der Luft gelegen haben, denn auch im kleinen Garding, dessen Straßen seit 1880 erst nach und nach mit Petroleumlampen ausgestattet wurden, und wo die Einwohner ihr Trinkwasser ausschließlich von Pumpen beziehen mußten, gab es fortschrittlich denkende Menschen. In den Statuten der Satzung, die sich der neue Verein gab, sind als seine Zwecke insbesondere vier genannt: Die Verbreitung größerer Bildung durch eine Handwerkerschule, die Errichtung einer Krankenkasse, Förderung des Gewerbes durch Ausstellungen und letztlich auch die Mitwirkung an kommunalpolitischen Angelegenheiten. Daß zunächst von ”Handwerkerschule” die Rede war und noch nicht ausdrücklich von Fortbildungsmöglichkeiten Handeltreibender, erklärt sich aus dem zahlenmäßigen Übergewicht der Handwerkerschaft in Garding.

Den Protokollen sind rund fünfzig größtenteils handwerkliche Berufe zu entnehmen, von denen es eine lange Reihe heute gar nicht mehr gibt. Zu nennen sind etwa Böttcher, Buchbinder, Brauer – der allererste Vereinsvorsitzende war ein Braumeister – Drechsler, Gerber, Hutmacher, Korbmacher, Klotzenmacher, Kupferschmied, Mützenfabrikant, Nagelschmied, Pantoffelmacher, Reepschläger, Reifer, Schiffer, Weber u.a., um nur einige hier aufzuführen. Als einigermaßen kurios aber mutet uns Heutigen eine Bestimmung der Satzung an, derzufolge gewerbetreibenden Frauen zwar der Eintritt in den Verein ermöglicht, ihnen ein Stimmrecht aber nicht zugebilligt wurde. Das stand nur den Herren der Schöpfung zu! Diese Verfügung wurde sogar zwei Jahre später noch einmal ausdrücklich bestätigt, und die Weiberfeindlichkeit ging bei einigen der Mitglieder damals so weit, daß sie – es war 1882 – erklärten, man solle besser überhaupt keine Frauen, auch keine Witwen von Handwerkern aufnehmen.